kleiner Junge hält seine Hand vor dem Mund und guckt traurig
Kinder und Erziehung

Ist dein Kind ein Late Talker? Finde es heraus!

„Ihr Kind kann mit zwei Jahren noch keine 50 Wörter sprechen?“ Dass mein Sohn ein Late Talker ist, fand ich am Tag der U7 Untersuchung bei der Kinderärztin heraus.

Obwohl jedes Kind sich unterschiedlich entwickelt, gibt es immer wieder Menschen, die sie miteinander vergleichen und beurteilen. Kann dein Kind schon krabbeln? Sitzen? Laufen? Oder eben sprechen? Das können die Großeltern sein, Nachbarn, Erzieher oder die Kinderärztin bei der geplanten Untersuchung.

Die U7 beim Kinderarzt

Es gab bereits Situationen, in denen wir uns mit anderen Kindern zum Spielen verabredet hatten und diese sprachlich um einiges fortgeschrittener waren als mein kleiner Sohn. Wir waren erstaunt, dass Kinder in diesem jungen Alter überhaupt in der Lage waren, so viele Wörter und Sätze zu sprechen. Bei der U7 ging die Kinderärztin eindringlich auf das Thema ein.

Sie war überrascht, dass mein Kleiner noch keine 50 Wörter sprechen konnte und seine Sprachentwicklung stagnierte. Die Ärztin fragte ganz offen, ob wir unseren Sohn fernsehen lassen würden. Das konnten wir leider nicht verneinen.

Wir ließen ihn nicht jeden Tag und auch nicht allzu lange fernsehen, doch es kam vor. Ich hatte ein schlechtes Gewissen und gab mir die Schuld an der verzögerten Sprachentwicklung. Die Kinderärztin gab uns zwei Bücher mit, die jedes Kind bei der U7-Untersuchung erhält. Sie riet uns, unserem Sohn mindestens fünf Bücher am Tag vorzulesen und das Fernsehen komplett zu streichen.

Phasen der kindlichen Sprachentwicklung

Um die Sprachentwicklung und Defizite zu verstehen, ist es hilfreich, sich die einzelnen Phasen anzusehen. Die kindliche Sprache entwickelt sich über einen Zeitraum von fünf Jahren. Die größten Entwicklungssprünge gibt es in den ersten drei Jahren, wie die Tabelle von Helen Mensen  zeigt:

Alter  PhaseVorgänge
Ab dem 2. MonatErste LallphaseLautähnliche Geräusche („rrr“, „grrr“), Monotones Jauchzen, Gurren und Quietschen
Ab dem 6. MonatZweite LallphaseSelbsterfundene Silbenketten („bada-bada-bada“, „moma-moma-moma“), erste Lautnachahmungen
12 – 18 MonateEinwortphaseErste Worte („da“, „Mama“), oft vereinfacht („Nane“, statt“ Banane“), Wörter als Frage/Aussage formulieren („Meins!“), Kommunikation mit Geräuschen („Brumm-Brumm“), Wortverständnis beginnt
1,5 – 2 JahreZweiwortphaseaktiver Wortschatz von ca. 50 Worten, Zweiwortsätze formulieren („Mama da“, „Teddy haben“)
2 – 2,5 JahreWortschatzexplosion / 1. FragealterWortschatz kann auf bis zu 250 Wörter und Wortkombinationen wachsen, Lernen von ca. 8 neuen Worten pro Tag, Fragen stellen („Ist das?“), Verben und Hauptwörter, „Ich-Form“
2,5 – 3 Jahre2. Fragealter / MehrwortphaseAktiver Wortschatz steigt weiter, Fragen mit „Warum?“ und „Wie?“, flüssigeres und deutlicheres Erzählen, Nebensätze mit „und“ und „oder“
3 – 4 JahreSatzentwicklung / GrammatikSachverhalte in einfachen Sätzen ausdrücken, Zukunftsform und Vergangenheitsform (gestern, morgen), Personalpronomen (er, sie, wir)
4 – 5 Jahre Lange Sätze mit Haupt- und Nebensätzen, schwierige Verbindungswörter (obwohl, bevor), eine flüssige Unterhaltung ist möglich
Phasen der Sprachentwicklung von Helen Mensen (© 2022 wellcome gGmbH)

Merkmale von Late Talker Kindern

Ist mein Kind ein Late Talker? Laut Definition gilt ein Kind als Late Talker, wenn es im Alter von 2 Jahren noch keine 50 Wörter in seinem Wortschatz hat. Auch über einen längeren Zeitraum kommen keine neuen Wörter dazu. Das können Wochen oder sogar Monate sein. Wichtig zu wissen ist, dass nicht alle Merkmale von Late Talkern auf alle Kinder zutreffen.

Auf meinen Sohn traf das zu. Als ich genau auf die Anzahl der Wörter achtete, kam ich nicht einmal auf 20 Wörter. Neue Worte kamen auch nicht wirklich hinzu, manchmal über Monate. Hinzu kam, dass mein Sohn für einige Aussagen statt Worten Laute und Gesten nutzte. Wir als Eltern haben ihn natürlich verstanden, aber andere kaum. Die Verwendung von Gesten und Lauten ist ebenfalls ein typisches Anzeichen für Late Talker.

In der Kita fingen die Erzieher schon an, auf bestimmte Laute nicht mehr zu reagieren, was ich gar nicht in Ordnung fand! Meinen kleinen Schatz vor den Kopf zu stoßen und ihn zu entmutigen, indem ich nicht regiere, das wollte ich auf keinen Fall.

Weitere Merkmale von Late Talkern sind, dass die Kinder Schwierigkeiten bei der Aussprache haben. Es ist typisch, dass sie kindliche Wörter, wie „Wau-Wau“ für „Hund“, beibehalten. Auch Lautersetzungen, wie „B“ statt „K“ oder das Weglassen von Silben und Buchstaben, wie „and“, anstelle von „Sand“, kommen vor. Einige Kinder haben Schwierigkeiten beim Verstehen von Sätzen oder zeigen nur wenig Interesse an Büchern und vorgelesenen Geschichten.

Uns ist auch aufgefallen, dass unser kleiner Schatz schnell frustriert wird, wenn wir ihn nicht gleich verstehen. Auch das ist normal bei 2 ½-jährigen Late Talkern. Seine Frustration tut mir immer sehr leid, weil er so bemüht ist, die Worte richtig auszusprechen.

Es kann auch vorkommen, dass einige Kinder während eines Gesprächs wenig Blickkontakt halten wollen. Die Diplom-Psychologin Anke Buschmann hat eine Broschüre zu dem Thema, in der alles detailliert erläutert wird.

Ursachen der Sprachentwicklungsverzögerung

Die Ursachen für die sprachliche Verzögerung sind nicht vollends geklärt. Eine genetische Veranlagung zu einer verzögerten sprachlichen Entwicklung kann ein Auslöser sein. Als wir uns mit dem Thema auseinandersetzten, erinnerte sich mein Partner daran, dass er auch erst mit drei Jahren richtig angefangen hatte zu sprechen. Das ergab also Sinn 😊

Eine genetische Veranlagung ist daher wahrscheinlich.

Auch das Umfeld, in dem das Kind aufwächst, kann eine Rolle spielen. Das Fernsehen hat sich in Krankheitstagen bei uns eingeschlichen und ist irgendwie geblieben. Wie bereits erwähnt, läuft der Fernseher nicht jeden Tag, aber das reichte anscheinend aus, um die Sprachentwicklung zu sabotieren.

Aufgrund ihrer Veranlagung haben die Kinder zudem Schwierigkeiten bei der Verarbeitung der Sprache. Es ist wichtig, ihnen genug Zeit zu geben, um sich neu gelernte Wörter zu merken und richtig sprechen zu lernen.

So kannst du dein Kind unterstützen

Ein guter Tipp ist, das Kind nicht ruppig zu korrigieren, wenn es etwas falsch ausspricht. Stattdessen sollte man es positiv bestärken, indem man den Satz noch einmal wiederholt, aber mit korrekter Aussprache oder Satzbau.

Zum Beispiel: Möchtest du, dass das Auto mitkommt? Oder: Ah, du möchtest den Besen haben und fegen? Ich gebe mir immer Mühe, das Wort so klar und betont wie möglich auszusprechen. Dieser Punkt ist mir sehr wichtig und ich habe es schon immer so gehandhabt. Ich erinnere mich nur an eine Situation, in der ich meinen Sohn etwas deutlicher korrigiert habe.

Es fühlte sich falsch an und ich wollte das auch nicht. Viele Menschen haben damals Druck auf mich ausgeübt. Mein kleiner Schatz sah danach traurig nach unten und wollte das Wort überhaupt nicht mehr sagen. Ich bereute es sofort und habe das nie wieder getan.

Lesen statt fernsehen

eine Mutter liest ein Buch mit ihrem kleinen Sohn
mit KI erstellt: ein kleiner Junge liest mit seiner Mutter

Lesen ist einer der wichtigsten Aspekte in Bezug auf die Sprachförderung. Es sollte sogar intensiviert werden, wenn Kinder beginnen zu sprechen. Der Rat unserer Kinderärztin, täglich fünf Bücher zu lesen, erwies sich als sehr berechtigt.  

Der Fernseher blieb erstmal komplett aus und die Bücher waren im Kinderzimmer und Wohnzimmer verteilt. Ich bestellte viele neue Bücher, um das Lesen spannender zu gestalten. Je mehr wir gelesen haben, desto größer wurde das Interesse meines Sohnes an Büchern. Auch seine Versuche, neue Worte zu sagen, wurden häufiger.

Für so junge Kinder ist es generell nicht empfehlenswert, fernzusehen. Obwohl wir das nicht immer konsequent durchhalten, haben wir davon profitiert, dass der Fernseher sehr wenig lief.

Selbstbewusstsein stärken und Wörter aufteilen

Mein Partner hat eine tolle Methode entwickelt, um unseren kleinen Sohn zum Lernen neuer Wörter zu motivieren. Diese erwies sich als sehr erfolgreich und verdient eine eigene Überschrift.

Nach Wochen und Monaten ohne großen Fortschritt kam mein Freund auf die Idee, die Wörter in ihre Silben aufzuteilen. Da unser Sohn schon einige Laute beherrschte, konnte er ihm zeigen, wie er mit diesen Lauten neue Worte bilden kann.

Ein Beispiel: Himbeeren sind bei uns zu Hause schon seit Längerem sehr beliebt. Mein Sohn konnte bereits das Wort „Bär“ sagen. Beim Essen erklärte ihm sein Papa, dass er bestimmt auch den Laut „hmmmm“ machen könne. Es funktionierte. Dann setzte mein Freund die Laute zusammen zu: Hmmmmbär.

Dadurch hat er unserem Sohn gezeigt, dass er in der Lage ist, eine vereinfachte Version von Himbeer zu sagen. Als unser Kleiner das erkannte, sagte er voller Stolz: HmmmBär, hhhhimmmbär und letztendlich sogar Himmmbär.

Die Taktik brachte großen Erfolg und stärkte das Selbstbewusstsein unseres Kleinen. Er verstand, dass er in der Lage ist, neue Wörter auszusprechen. Wir haben jedes neue Wort mit Freude begrüßt.

Auf keinen Fall Druck ausüben

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass man Kinder, die Schwierigkeiten beim Sprechen haben, nicht unter Druck setzen sollte. Druck kann dazu führen, dass sich Kinder zurückziehen und die Sprachentwicklung stagniert. Unsere Kinderärztin hat uns diesen Punkt sehr deutlich gemacht.

Die Kinder sollten sich nicht gedrängt fühlen, schnell sprechen zu müssen, da dies kontraproduktiv für die Sprachentwicklung sein kann.

Das zuvor erwähnte Thema des Korrigierens ist hier auch von Bedeutung. Es erzeugt ebenfalls Druck, wenn Kinder harsch korrigiert werden, wenn sie ein Wort falsch aussprechen. Zum Beispiel: „So sagt man das nicht“ oder „Nein, das heißt so“.

Der bessere Weg ist hier das liebevolle, richtige Nachsprechen des Wortes in einem Satz. Dadurch merkt das Kind gar nicht, dass es berichtigt wird und es wird kein Druck aufgebaut. Ich möchte unserem Sohn die richtige Aussprache behutsam und Stück für Stück vermitteln, indem das Wort richtig wiederholt wird.

Fazit

Ich möchte betonen, dass es völlig normal ist, wenn sich ein Kind sprachlich etwas langsamer entwickelt. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo.

Natürlich ist es immer ratsam, gesundheitliche Ursachen abklären zu lassen oder sich von einer Logopädin beraten zu lassen, um sicherzugehen. In unserem Fall war das jedoch nicht notwendig, da gesundheitliche Probleme ausgeschlossen waren.

Mein Sohn hat mit etwa 2 Jahren und drei Monaten angefangen, Fortschritte zu machen, auch was Mehrwortsätze betrifft. Jetzt ist er 2 ½ Jahre alt und hat das Defizit bereits gut aufgeholt.

Das Aufteilen von Worten in einzelne Silben und das Zusammensetzen zu neuen Wörtern hat ihm besonders geholfen. Es ist jedoch wichtig, keinen Druck auszuüben. Manchmal muss ich meinen Freund bremsen, wenn ich merke, dass es meinem Sohn zu viel wird.

Obwohl noch viele Wörter falsch ausgesprochen werden, sehe ich eine große Entwicklung. Mein Sohn traut sich, neue Wörter auszuprobieren und das ist toll! Ich spreche weiterhin fast alle Sätze liebevoll und helfend nach oder bilde eine Frage daraus. Mein Kleiner spricht die Worte dann von selbst richtiger aus, ganz ohne Druck.

Treffen die Punkte auf euer Kind zu? Wie geht ihr damit um? Schreibt es gerne in die Kommentare! Ich bin gespannt auf eure Geschichten.

Eure Jana

Seht euch auch gerne unsere anderen interessanten Beiträge an:

4 Comments

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert